Es gab Zeiten, da war ich radikal. Radikal abstinent. Gewissermaßen auf fotografischer Diät, durch ein eigens auferlegtes Fotografierverbot. Verständlicher ausgedrückt: Ich bin ohne Kamera im Gepäck in den Urlaub geflogen, weil ich dachte, dass die gewonnenen Eindrücke so viel stärker (nach) wirkten, bei weitem bleibender seien, wenn ich alles in mich aufsauge, statt es einfach nur zu fotografieren. Sicher ein prinzipiell lobenswerter Ansatz und in manchen Fällen mag das tatsächlich auch funktioniert haben … aber jetzt kommt’s: in welchen? Denn retrospektiv lässt sich nicht mehr trennen, welche der bis heute präsenten Erinnerungen aus meiner Zeit der rebellischen Lichtbildverweigerung stammten und welche nicht. Und noch grausamer: Was ist nicht da, weil ich a.) mein tertiäres Gedächtnis damals schlichtweg überschätzt und b.) die Kamera zuhause gelassen habe? Vor dem Hintergrund vor allem letzterer Frage verstehe ich nur allzu gut, dass die Gäste einer Hochzeit gerne die (Handy-) Kamera zücken und alles protokollieren möchten – und das nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Brautleute.
Und damit wären wir beim Thema.
Das lautet für diesen Artikel nämlich, ob man es den Gästen nun erlauben soll Fotos und Videos von der Hochzeit anzufertigen oder sie stattdessen bitten, selbige mit ihren eigenen Augen zu sehen, statt durch einen Sucher oder ein Handydisplay. Vielleicht gibt es zum generellen Fotografierverbot für die Gäste eine Alternative, einen gangbaren Mittelweg?
Die Antwort bereits vorweg: Ja. Den gibt es. Fangen wir aber vielleicht erst einmal damit an zu klären, anlässlich welcher Situationen Handys und Kameras in den Taschen bleiben sollten.
Fotografierverbot für die Trauungszeremonie
Die Trauung bzw. die Zeremonie ist natürlich das Kern-Element jeder Hochzeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine kirchliche oder eine standesamtliche Hochzeit handelt. Natürlich ist die Versuchung hier groß, wenn nicht alles, so doch wenigstens Kuss und Ringtausch auf die Speicherkarte zu bannen. Allerdings muss die Frage aufgeworfen werden, wie sinnig das ist. Mag man den Kuss noch von hinten fotografiert bekommen, gilt das für den Ringtausch meist nicht. Dieser ist in den allermeisten Fällen nur von vorne gut einzufangen, da die Brautleute ihn mit ihren Rücken verdecken.
Noch dazu kommt, dass die meisten Fotos ruiniert sein dürften, da jeder ab der zweiten Reihe der Kirchbank oder Standesamt-Bestuhlung die Handys der jeweils vorderen Reihen auf dem Foto haben dürfte. Das gilt übrigens auch für die Fotos vom Hochzeitsfotografen, so einer zugegen ist. Seine Fotos werden dann fotografierende Gäste von vorne und deren gen Decke gereckte Arme von hinten zeigen. Apropos Hochzeitsfotograf: Gibt es ihn, macht er ganz sicher die besseren Fotos und jeder Gast wird sich die Ergebnisse später ohnehin anschauen können.
Fazit: Es macht keinen Sinn zu fotografieren, wohl aber ist es sinnvoll, ein Fotografierverbot auszusprechen. Das kann entweder diplomatisch formuliert im Rahmen der Einladungen geschehen oder aber der Pfarrer/-in bzw. den Standesbeamten/-in verkündet vor Trauung, dass ein Hochzeitsfotograf zugegen ist und keine Notwendigkeit besteht, der Trauung durch ein Display oder einen Kamera-Sucher zu folgen.
Ein- und Auszug der Braut
Auf der Motiv-Hitliste steht, gleich nach Kuss und Ringtausch, sowohl Einzug als auch Auszug der Braut. Ein emotionales Highlight, das ein jeder gerne fotografiert. Und dagegen spricht auch absolut nichts, zumindest so lange, als niemand in den Gang springt (oder fällt).
Wenn es einen Hochzeitsfotografen oder -fotografin gibt, läuft er/sie rückwärts mit und möchte verständlicherweise im Rückwärtsgang niemanden über den Haufen laufen. Man muss sich ohnehin schon bemühen, nicht Opfer irgendwelcher Hindernisse zu werden, wie die beiden nachfolgenden Videos eindrucksvoll belegen. Da hat das nicht geklappt.
Übrigens sind beide Videos gute Beispiele dafür, einen Profi zu engagieren. Der hat nämlich (mindestens) zwei Kameras dabei. Im Falle des Kollegen, der ins Becken gefallen ist, wären aber selbst zwei zu wenig. Er hat gleich zwei versenkt.
Eröffnungstanz
Beim Eröffnungstanz des Brautpaares sind üblicherweise auch eine Menge Handys oder Kameras auf die Tanzenden gerichtet. Auch das ist so lange kein Problem, als niemand meint auf die Tanzfläche springen zu müssen, um dem Hochzeitsfotografen als der berühmt-berüchtigte Onkel Bob Konkurrenz zu machen.
Das Fotografieren durch die Gäste ist hier unproblematisch. Auch für einen Hochzeitsfotografen. Das gilt auch für Sektempfang, Tortenanschnitt, Party etc. Ein Fotografierverbot zu erteilen ist nicht nötig.
Fazit
Es bleibt im Wesentlichen nur die Trauung als diejenige Situation zu nennen, da man die Gäste bitten sollte, auf das Fotografieren zu verzichten bzw. ein Fotografierverbot zu erteilen. Wenn man das, wie bereits erwähnt, im Vorfeld und diplomatisch kommuniziert, dabei auf den anwesenden Hochzeitsfotografen verweist, wird man in der Regel auch auf Verständnis stoßen.