Wenn ich die Preise so mancher Kollegen betrachte, überkommen mich oft leichte Zweifel hinsichtlich deren Fähigkeit realistische Stundensätze zu berechnen. Dieser Artikel richtet sich an all jene, die wissen wollen, wie man realistisch kalkuliert. Dazu mache ich einmal ein paar Rechnungen mit fiktiven Zahlen auf. Die können natürlich bei jedem anders aussehen. Dennoch kann man auch anhand der hier angegebenen Zahlen erahnen, »wo der Hammer hängt« – selbst wenn manche Positionen dem einen oder anderen als über- oder untertrieben erscheinen mögen.
Wenn man in der Hochzeitsfotografie im Wesentlichen als Spezialist arbeitet (wovon hier ausgegangen wird), ist die Anzahl der Buchungstage pro Jahr natürlicherweise begrenzt. Die Hauptsaison läuft von April bis September. Das sind vierundzwanzig Samstage, da große Hochzeiten ab acht Stunden Begleitung gefeiert werden.
Kürzere Begleitungen werden ausschließlich unter der Woche (Montag bis Freitag) angenommen, um die Samstage für die lukrativeren Buchungen ab acht Stunden freizuhalten. Es ist es realistisch mit zwischen ca. zwanzig bis dreißig großen (8 bis 16 Stunden) und ca. zehn bis zwanzig kleineren Hochzeiten (4 bis 6 Stunden) pro Jahr zu rechnen.
Diese Umstände sind bei der Preiskalkulation zu berücksichtigen, genauso wie der Umstand, dass es mit der Begleitung einer Hochzeit nicht getan ist, sondern das Gros der Zeit auf die Bildbearbeitung verwendet wird. Als einfache Faustregel kann man sagen, dass die Zeit, die man eine Hochzeit begleitet, mit dem Faktor Drei multipliziert werden muss, will man Gesamtbearbeitungszeit und -aufwand kalkulieren.
Eine achtstündige Begleitung bedeutet demnach einen zeitlichen Aufwand von insgesamt mindestens vierundzwanzig Stunden, die sich auf Vorbereitung (Beratung des Brautpaars, Vertragsabschluss etc.), die eigentliche Hochzeit und Nachbereitung (Bildbearbeitung) verteilen. Im nachfolgendem Beispiel sind es sogar 35 Stunden.
Eine Beispielrechnung
Treffen Vorgespräch
30 Minuten Vorbereitung (Unterlagen ausdrucken etc.).
20 Minuten Anfahrt
60 Minuten Beratungsgespräch.
20 Minuten Abfahrt
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Summe: 130 Minuten
Hochzeitsreportage
30 Minuten Vorbereitung (Equipment säubern, checken, packen)
30 Minuten Anfahrt
30 Minuten vorher da
8 Stunden fotografieren
15 Minuten Equipment zusammenpacken
30 Minuten Abfahrt
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Summe: 10.15 h
Bildbearbeitung
Sichern, Auswahl und Bearbeitung von 2000 Fotos
30 Minuten sichern der Bilder von den SD-Karten auf dem Rechner
30 Minuten Import der Bilder in die Bildbearbeitungssoftware
2 Stunden Vorauswahl der relevanten Fotos
20 Stunden Bearbeitung der ausgewählten Fotos (mal mehr mal weniger)
1 Stunde Export der Fotos in verschiedenen Größen und Anlegen einer Webgalerie für die Gäste
30 Minuten Hochladen der Fotos auf den Online-Account
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Summe: 24.5 Stunden
Total: 35 Stunden
Detailkalkulation
In die Berechnung der dienstleistungsnahen Aufwendung müssen natürlich auch Fahrtkosten, Kleinigkeiten wie Porto und USB-Stick für den schlussendlichen Versand der entwickelten Fotos einfließen.
Zu den nicht unmittelbaren Kosten und Aufwendungen, die aber ebenfalls in die Berechnung einfließen müssen, gehören zum Beispiel Steuer, Kammerbeiträge, Versicherungen (Berufshaftpflicht, Kameraversicherung, Krankenversicherung, Verbände, Werbung/Hostingkosten Website, Software), Abnutzung und Neuanschaffung von Equipment, variable und fixe Lebenshaltungskosten (Auto, Wohnung, Essen, Strom, Heizung, Benzin) etc.
All diese Faktoren sind maßgeblich bei der Berechnung eines gewünschten bzw. nötigen Gewinns, um einen realistischen Stundensatz zu ermitteln, der dem Verkauf von Hochzeitsbegleitungen zu Grunde gelegt werden kann.
Im Detail sieht die Kalkulation des Stundensatzes wie folgt aus, will man ausschließlich mit der Hochzeitsfotografie (ohne Vermietung einer Fotobox, Workshops und/oder Verkauf von Foto-Alben) einen Gewinn von 10.000 Euro p.A. erzielen, bei etwa 40 Hochzeiten (zwischen 6 und 16 Stunden) in der Saison (Samstags und unter der Woche).
Wie die Rechnung zeigt, muss man für eine achtstündige Hochzeitsbegleitung 1438 Euro in Rechnung stellen, um den Gewinn von 10.000 Euro ausschließlich durch die Hochzeitsfotografie (ohne Umsätze aus Fotobox, Alben und Workshops) zu erzielen. Auf diese 180 Euro / h muss man dann noch einmal 19% Umsatzsteuer hauen. Realistischerweise sind wir dann also bei 214 Euro / h.
Eingerechnet wurden hier nicht Krankheits- und Urlaubstage, die allesamt einen Verdienstausfall bedeuten. Man sollte also Krankheit oder Urlaub auf den Herbst bzw. Winter verschieben. Auch Abnutzung von Equipment findet hier nicht explizit Berücksichtigung.
Wenn man eine Gesamtarbeitszeit von 35 Stunden für eine 8-stündige Hochzeit ansetzt, ist der Stundensatz natürlicherweise weitaus geringer – 35 Stunden à 214 Euro wird aber kein noch so gut situiertes Brautpaar auszugeben bereit sein.
Also, liebe Kollegen: Wenn ihr mit Angeboten von 600 Euro für eine zwölfstündige Hochzeitsbegleitung glaubt, überleben zu können, dann irrt ihr Euch und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ihr finanziell alle Viere von euch streckt. Und dabei spielt keine Rolle, ob ihr Kompensationsgeschäfte betreibt. Die können wegbrechen bzw. von Jahr zu Jahr anders ausfallen. Und was ist, wenn auch nur eine Kamera das Zeitliche segnet? Woher nehmt ihr dann die drei- bis fünftausend Euro für einen adäquaten Ersatz, wenn ihr dafür keine Rücklagen bildet oder ganzjährig aufs Essen verzichtet?