Mit diesem Artikel will ich mal das Augenmerk auf ein Thema lenken, das den meisten Brautleuten vielleicht nicht bewusst ist. Es geht um Zeitlosigkeit und Farben. Derzeit ist es »trendy« Fotos im Pastel- oder Retro-Look zu entwickeln. Letzteres passt ganz gut in die Zeit. Retro ist nicht nur in der Hochzeitsfotografie angesagt. Es gibt Retro-Uhren, Retro-Autos, Retro-Kameras und Retro-Was-Weiß-Ich-Noch-Alles. Der Retro-Look in der Hochzeitsfotografie taucht auch unter den Namen »Vintage-« oder »Boho-Hochzeit« auf und äußert sich dergestalt, dass die Fotos mit Farben entwickelt werden, wie man sie von alten analogen Filmen aus den 60iger oder 70iger Jahren kennt.
Alles ist entsättigt. Das fängt bei den Hauttönen an und geht bis zum Grün der Wiesen, die aussehen, als habe es vor kurzem einen Buschbrand gegeben. Nichts ist wirklich so, wie es das Auge sieht. Und auch wenn ich als Kind beim Betrachten der Schwarz-Weiß-Fotos meiner Eltern immer sehr mitleidig war, weil die Welt sehr trist gewesen sein muss, so ganz ohne Farben, habe ich doch später begriffen, dass die Welt durchaus farbig war. Und – unter uns – in den 60iger und 70iger Jahren sah das Grün der Wiesen keinen deut anders aus, als heute. Ehrlich. 😉
Damit es keine Missverständnisse gibt: Fotografie ist auch Kunst, kann Kunst sein und die unterliegt dem Geschmack der Zeit. Das lässt sich nicht wegdiskutieren. Auch ich habe meinen speziellen Stil, bearbeite meine Bilder natürlich und ja, ich finde so manches Foto dieses Retro-Looks sogar ganz schön.
Jetzt kommt das große »Aber«. Ich halte viele nicht für zeitlos. Zeitlosigkeit haben Farben (und ein Foto) aus meiner Sicht dann, wenn sie weitestgehend dem entsprechen, was das menschliche Auge sieht – es sei denn, man übertreibt es im Sinne der Kunst bzw. im Rahmen des künstlerischen Ausdrucks ganz bewusst und sehr extrem. Aber das hier ist hier nicht der Fall. Es ist eben weniger grün, weniger blau, weniger rot. Es ist aber nicht extrem weniger grün, extrem weniger blau, extrem weniger rot oder extrem weniger was auch immer.
Nun stelle man sich vor, der Trend Boho-Hochzeit oder Vintage-Hochzeit ist vorüber und man sieht sich die Fotos ein Jahrzehnt später noch einmal an. Werden sie einem dann noch gefallen? Vielleicht. Für viel wahrscheinlicher halte ich, dass dem nicht der Fall ist.
Nun könnte man ja argumentieren, dass das doch ganz gleich ist. Die „echten“ Fotos aus dieser Zeit, an die der aktuelle Trend bestenfalls eine Reminiszenz darstellt, sehen ja auch grottig aus und in Wahrheit kommt es doch auf das Motiv, die Bildkomposition und die Emotionen an, die das Foto transportiert bzw. auslöst. Nicht ganz falsch. Eigentlich sogar ziemlich richtig – zumindest hinsichtlich der Aussage, dass Motiv, Komposition und Emotionen ein eklatant wichtiger Bestandteil eines gelungenen Fotos sind.
Oft scheint mir aber, dass der Boho-Hochzeit Stil (oder welcher Bildstil auch immer) dazu genutzt wird, zu kaschieren, dass das dergestalt bearbeitete Foto ein eigentlich wirklich schlechtes Foto ist. Man sieht das besonders gut auf Instagram. Da laden Heerscharen von Teenies ihre Kussmund-Bilder und Selfies auf die Plattform hoch, bügeln einen Filter drüber und – et voilà – damit sieht auch das banalste Foto viel besser aus.
Und noch dazu kommt: Paarfotos mögen in diesem Bildstil ja noch ganz gut aussehen. Wie aber wirkt so etwas bei den Fotos vom Sektempfang oder der Party? Meine Einstellung ist die, dass ausnahmslos ALLE Fotos eine farbliche bzw. gestalterische Konsistenz besitzen sollten. Wenn also Boho-Hochzeit, dann bitte überall. Aber ob es überall passt, scheint mir dann eben doch fraglich.
Zum Abschluss:
Viele Worte um was genau? Das mag sich der ein oder andere jetzt fragen. Wem es gefällt, der soll doch damit glücklich werden. Stimmt. Das ist in Ordnung. Auch für mich. Alle hier verbreiteten Erkenntnisse sind ausschließlich die meinen, erheben keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Noch dazu kommt, dass ich früher selbst dachte, dass das ein oder andere Foto einfach besser aussähe, wenn ich hier oder da irgendwelche farblichen Gimmicks produziere. Heute sehe ich das anders. Und es mag sein, dass ich das in zehn Jahren wieder über den Haufen werfe. Aber bei einem bleibe ich: Ein schlechtes Foto bleibt ein schlechtes Foto. Da hilft keine so abgefahrene Bearbeitung. Wenn man dem ganzen die Haut abzieht, das Chrom wegpoliert, dann spätestens ist es zu sehen.
Also, liebe Brautleute, überlegt euch, wie oben erwähnt, ob euch unnatürliche Farben und Bearbeitungen auch noch in besagten zehn Jahren gefallen – auch wenn das aus heutiger Sicht schwer zu beurteilen ist. Zugegeben. Aber eines könnt ihr in jedem Fall tun, wenn ihr bei der Auswahl eures Fotografens seid: Schaut, ob euch die Fotos nicht nur wegen der Farben ansprechen, sondern klopft es auf gestalterische Aspekte ab – soweit es euch, als fotografische Laien die ihr vermutlich seid, möglich ist. Stellt euch das Foto auch mal in den Farben vor, wir ihr die Welt seht. Auch dann weist sich oft, ob es ein gutes Foto ist oder nicht. Und wenn ihr den Retro-Look (oder was auch immer) dann immer noch gut findet, dann ist das euer Fotograf.