Home >> Dokumente >> Hochzeitsfotografie: Die Königsklasse der Fotografie?
Ist die Hochzeitsfotografie die Königsklasse der Fotografie? Dieser Frage will ich mich so objektiv als möglich nähern und vielleicht auch en passant die landläufige Fehleinschätzung korrigieren, es brauche nur eine halbwegs anständige Kamera und jeder könne gute Hochzeitsfotos machen.
Als Einstieg ins Thema eine Konversation, wie sie zwischen einem Koch und Helmut Newton, der als Gast in einem Restaurant speiste, stattgefunden haben soll.
Der Koch: »Ihre Fotos gefallen mir, Sie haben bestimmt eine gute Kamera.«
Newton nach dem Essen: »Das Essen war vorzüglich – Sie haben bestimmt gute Töpfe.«
Diese Geschichte wird in Fotografenkreisen fleißig und gerne kolportiert. Sie drückt nämlich treffend aus, worum es geht: Fotografische Kunst hat wenig mit dem verwendeten Werkzeug zu tun. Ein guter Fotograf wird auch mit einer günstigen Kamera ein ansprechendes Fotos schaffen. Ein schlechter und/oder unerfahrener Fotograf, weder mit einer 400 Euro noch mit einer 5000 Euro teuren Kamera.
Es war einmal: Die Schmuddelecke der Fotografie
Wenn man früher an »Hochzeitsfotograf« dachte, hatte man einen Typ Mensch im Kopf, der dem von Harpe Kerkeling dargestellten Reporter Horst Schlämmer sehr nahe kommt: Schmierig, proletenhaft, mit abgewetztem Erscheinungsbild.
Die Hochzeitsfotografie selbst genoss einen ebenso zweifelhaften Ruf – meilenweit von jedweder Klasse entfernt. Und das zu Recht. Hochzeitsfotos bestanden im Wesentlichen daraus, ein paar Fotos von lächelnden (oder auch nicht lächelnden) Gästen nach der Trauung zu schießen, die sich artig vor dem Standesamt aufgereiht hatten. Die Paarfotos wurden kurzerhand im Studio geschossen.
Im Ergebnis nicht minder steif und langweilig.
Die Geburt der Hochzeitsreportage
Irgendwann, und das ist nicht allzu lange her, hielt das Element der Reportage Einzug in die Hochzeitsfotografie. Die Idee dahinter: Den kompletten Tag der Hochzeit authentisch und ungestellt festzuhalten – vom Getting Ready von Braut und Bräutigam, über die kirchliche Trauung bis hin zur Feier in die tiefste Nacht. Damit war die moderne Hochzeitsfotografie geboren. Viele Fotografen hatten nun Zeit und Raum ihre künstlerische Seite auszuleben. Die Besten von ihnen produzierten dabei herausragende Kunst – und tun es heute noch.
Und die Haken?
Wo Licht, da ist auch Schatten. In der Bild-Komposition ist das durchaus erwünscht. Nicht aber, wenn man »Berechenbarkeits-Anhänger« ist. Denn die Bedingungen, denen sich ein Hochzeitsfotograf stellen muss, sind denkbar ungünstig. Und zwar ganz egal, ob er sich als Künstler oder als Dienstleister (optimalerweise beides) versteht.
Wechselnde Lichtverhältnisse
Die erste Schwierigkeit ist es, die ständig wechselnden Lichtverhältnisse, wie auch Misch- und Kunstlicht zu meistern. Ein Studiofotograf hingegen hat all das immer unter Kontrolle. Er kann nicht nur die Menge des Lichts, sondern auch die Farbtemperatur (warmes/kaltes Licht) bestimmen. Das gilt auch zum Beispiel für einen Architektur- oder Landschaftsfotografen, die eben dann fotografieren, wenn das Licht am günstigsten ist. Das ist, wenn auch keine volle Kontrolle, eine indirekte Form der Kontrolle.
Zeit
Während man auf den ganzen Tag gesehen augenscheinlich viel Zeit hat, gibt es durchaus Momente, die flüchtig und unwiederholbar sind. Werden sie nicht eingefangen, ist das mehr als nur ärgerlich.
Ich denke dabei zum Beispiel an den Ringtausch, den Kuss oder den Wurf des Brautstraußes. Hier muss alles stimmen: Belichtung, Verschlusszeit und Tiefenschärfe – wenn man es nur auf die technischen Parameter beschränkt. Doch die machen noch lange kein gutes Motiv. Ausschnitt, Winkel, Perspektive sind weitere Kriterien, die darüber bestimmen, ob ein Foto hinterher als ästhetisch wahrgenommen wird oder nicht.
Der oben erwähnte Studiofotograf hat einiges mehr an Zeit, sich zu überlegen, wie er sein Motiv platziert und er kann akribisch auf den Teil scharfstellen, auf dem die Schärfe liegen soll. Ein Auge zum Beispiel.
Eine fotografische Regel ist die, dass ein seitwärts der Kamera zugewandtes Gesicht dann scharf wirkt, wenn das der Kamera nähere Auge scharf ist. Das in Situationen umzusetzen, da man vielleicht nur eine Sekunde Zeit hat, bedarf einiges an Sicherheit und Präzision.
Psychologischer Stress
Ein weiterer Faktor, der im Prinzip ständig gegen den Fotografen arbeitet, ist der Stress der Verantwortung. Wie bereits erwähnt: Eine Wiederholung des Ringtausches oder des Kusses ist nicht möglich – jedenfalls dann nicht, wenn man sich nicht total lächerlich machen möchte.
Zudem wäre eine Wiederholung eben auch nicht mehr authentisch, die Fotos dennoch vermurkst – selbst wenn sie im zweiten Anlauf gelängen. Das Brautpaar wird immer im Hinterkopf haben, dass das Foto gestellt war.
Fitness
Es klingt etwas komisch, aber in der Tat ist ein gewisses Maß an körperlicher Fitness erforderlich.
Zwischen dem Morgen und dem Abend einer Hochzeit liegen hunderte Kniebeugen, die Kamera wurde einige hunderte Male hochgerissen (die mit Objektiv auf zwei bis drei Kilo kommen kann) und es wurden zwischen sechs und zwölf Kilometern Laufstrecke bewältigt. Das alles bei vielleicht 30 Grad im Schatten und einigen Kilo Ausrüstung auf dem Rücken.
Hellseher
Auch wenn sich viele Abläufe wiederholen, man mit der Erfahrung vieler begleiteter Hochzeiten aufwarten kann und darum weiß, wann man wo zu stehen hat, braucht es dennoch zumindest eine rudimentär ausgeprägte hellseherische Veranlagung. Denn auch sich wiederholende Abläufe können von der Regel abweichen und etwas den Ablauf stören.
Was man in jedem Fall benötigt, ist die Fähigkeit blitzschnell Entscheidungen zu treffen. Etwa dann, wenn der Pfarrer mal wieder so dicht vor Braut und Brautvater in die Kirche einläuft, dass man kein freies »Schussfeld« hat. Binnen einer Sekunde muss man dann entscheiden, ob und wie die eigene Position zu wechseln ist, damit man doch noch zum Zuge kommt.
Nachstehendes Bild ist ein ebenfalls ein gutes Beispiel für die Notwendigkeit, mit gewissen hellseherischen Fähigkeiten aufwarten zu müssen. Wo hat der Blitz zu stehen und, in Abhängigkeit von der Größe der beiden Tanzenden, auf welcher Höhe? Wo tanzen die beiden aller Voraussicht nach und wo muss man als Fotograf stehen, damit ein solches Bild gemacht werden kann? Vor all dem steht allerdings die Visualisierung des Bildes, eine Vorstellung davon zu haben, wie es am Ende aussehen soll.
Elemente anderer Disziplinen
In der Hochzeitsfotografie vereinen sich Elemente verschiedenster fotografischer Disziplinen und sie alle wollen beherrscht werden.
Sportfotografie
Selbstredend bewegen sich weder die Brautleute noch die Gäste so schnell wie Sportler. Dennoch ist das Fokussieren auf den Punkt und Schnelligkeit gefordert, ist das Ziel zum Beispiel der fliegende Brautstrauß. Das hat dann durchaus etwas von Sportfotografie an sich – mit einem deutlich kleineren und schwerer zu berechnenden »Ziel« wohlgemerkt.
Mode- und Portraitfotografie
Das Paarshooting ähnelt sehr der Mode- und Portraitfotografie. Hier gilt es eine oder zwei Personen ästhetisch in Szene zu setzen. Der Unterschied zur Mode- und Portraitfotografie liegt in der Regel aber darin, dass der Hochzeitsfotograf zum einen weniger Zeit zur Verfügung hat und zum anderen keinen großartigen technischen Aufwand betreiben kann. Eine ganze Armada von Blitzen einzusetzen und die äußeren Bedingungen zu kontrollieren, ist schlichtweg unmöglich. So lange wir von von realen Hochzeiten reden, nicht von sogenannten »Styled Shoots«.
Reportagefotografie
Diese Disziplin illustriert politische, gesellschaftliche, kulturelle und andere Ereignisse. Auch die Kriegsfotografie gehört dazu. Gerade dieser geht es darum, in und mit einem Foto den Kontext darzustellen, in dem es aufgenommen wurde.
Berühmte Beispiele sind die Exekution eines mutmaßlichen Vietkongs im Jahre 1968, aufgenommen von Eddie Adams, oder das Foto der damals neunjährigen Phan Ti Kim Phuc, die gerade (1972) einen Napalmangriff überlebt hatte, weinend und splitterfasernackt auf den Fotografen zulief.
Zugegeben: Kriegsfotografie und Hochzeitsfotografie in einem Atemzug zu nennen, ist natürlich etwas gewagt und hat einen komischen Beigeschmack. Worum es mir allerdings geht, ist klarzustellen, dass ein gutes Kriegsreportage-Foto so aussagekräftig sein sollte, dass es den Kontext darzustellen vermag, in dem es entstanden ist. Kürzer: Es soll für sich selbst stehen.
Genau das ist in der Tat auch der Anspruch an die Hochzeitsfotografie, wenn auch nicht durchgängig realisierbar.
Produktfotografie
Ringe, Schuhe, Kleid, Hochzeitstorte und weitere Details wollen fotografiert werden. Das ist nichts anderes als Produktfotografie. Auch hier wieder mit dem Unterschied, dass es sowohl an Zeit als auch oft an einer Ausleuchtung mangelt, wie man sie im Studio vorfindet.
Ist es nun die Königsklasse?
Darüber streiten die Gelehrten und jeder soll seine eigenen Schlüsse ziehen. Für mich persönlich ist die Hochzeitsfotografie die Königsklasse der Fotografie – ganz besonders dann, wenn trotz all der widrigen Umstände auch noch Kunst dabei herumkommt.
Von meiner eigenen Meinung einmal abgesehen, hat es durchaus triftige Gründe, warum Freunden und Verwandten (aka »Onkel Bob«) empfohlen wird, dem Brautpaar den Freundschaftsdienst zu verweigern, die Hochzeit zu fotografieren. Es sind alle diesem Absatz vorstehenden und im Artikel ausgebreiteten Gründe.
Ebenso hat es einen Grund, dass ein großer Teil der Neueinsteiger in die Hochzeitsfotografie nach einer oder zwei begleiteten Hochzeiten das Handtuch schmeißt. Primär deswegen, weil man sich der Verantwortung nicht gewachsen, aber auch, weil die Umstände eben nicht unter Kontrolle sind, man sich im kontrollierten Raum des Studios wohler fühlt.
Aber: Spielt die Einordnung und Kategorisierung überhaupt eine Rolle? Nein. Ich denke nicht. So lange jeder Fotograf in der Disziplin seinen Spaß hat, in der er sich verdingt, ist alles gut. 😉
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