Home >> Dokumente >> Hochzeitsfotograf engagieren? Unnötig. Oder?
In Zeiten, da man mit einem iPhone X oder einer regulären Digitalkamera zumindest im Automatikmodus (»P« – steht nicht für »Profi«) vernünftig belichtete und scharfe Fotos hinbekommt, stellt sich für viele Brautleute die Frage, ob man da noch einen teuren Hochzeitsfotograf engagieren sollte, oder ob die Künste von Onkel Bob reichen? Das muss jeder für sich entscheiden. Aber um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, ist es vielleicht nicht die schlechteste Idee, sich einmal damit zu beschäftigen, welche Elemente ein gutes Hochzeitsfoto noch ausmachen können. Ist es nur die Schärfe und eine gute Belichtung?
Über die Herausforderungen, mit denen sich ein Hochzeitsfotograf konfrontiert sieht, habe ich bereits im Artikel »Hochzeitsfotografie: Die Königsklasse der Fotografie?« geschrieben. Darum wird es nicht gehen. Stattdessen möchte ich einige meiner Fotos heranziehen und anhand dieser besprechen, dass sie nicht einfach die Summe korrekt eingestellter Kamera-Parameter sind. Das ist die selbstverständliche Basis.
Gesagt sei in diesem Zusammenhang auch, dass Schärfe nicht zwangsläufig ein Qualitätsmerkmal ist. Unschärfe kann, als stilistisches Mittel angewandt, sehr reizvoll sein. Im einfachsten Falle etwa dann, wenn man sein Motiv vom Hintergrund isolieren möchte. Kurz: Es ist alles andere als toll, wenn man hinter den Brautleuten alles bis ins benachbarte Dorf scharf stellt.
Auch Lichtführung bzw. Lichtsetzung heißt nicht, dass man alles in grellstem Baustrahlerweiß ausleuchten soll. Wo Licht, da ist nämlich auch immer Schatten. Und genau der macht oftmals den Reiz aus, wenn man ihn zu nutzen weiß.
Bevor ich anfange, noch zwei Hinweise.
1. Die eigenen Fotos nutze ich nicht, um etwa der Selbstbeweihräucherung zu frönen, unter Beweis zu stellen, dass ich der Geilste bin. Ich nutze sie schlicht deswegen, weil ich dem Urheberrecht Rechnung tragen muss. Außerdem kann ich anhand meiner eigenen Fotos natürlich aus erster Hand beschreiben und nachvollziehbar machen, was ich mir dabei gedacht habe, warum ein Foto ist, wie es ist.
2. Ich will nicht verhehlen, dass ich damit natürlich die Hoffnung hege, dass all die Bekannten, Verwandte oder Freunde zukünftiger Brautpaare, die sich als Hochzeitsfotograf anzudienen gedenken, vor ihrer scheinbar großzügigen Offerte absehen, weil ihnen deucht, dass selbst ein scharfes und gut belichtetes Bild, noch lange kein gutes sein muss. Gleiches gilt auch im Umkehrschluss für Brautleute, die sich überlegen, einen der oben genannten zu engagieren. Es würde mir auch schon reichen, wenn dieser Artikel den Blick angehender Brautleute schärft und sie beim Betrachten von Hochzeitsfotos die Kunstfertigkeit erahnen, die in so manchem Hochzeitsfoto steckt.
Fangen wir an.
Layering & Framing
Ein Foto kann aus mehreren »Layern« bestehen. Damit ist nichts anderes gemeint, als dass es mehrere Lagen bzw. Ebenen enthält. Es gibt ein Motiv nahe der Kamera und mindestens eine weitere Ebene im Hintergrund. Optimalerweise korrespondieren die Layer, das heißt, sie stehen in einer Beziehung zueinander und verdeutlichen zudem den Kontext, in dem das Foto entstanden ist. Kontextloses Layering kann man sich meistens sparen. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass mit der Zahl der Layer der Schwierigkeitsgrad steigt.
Nachfolgende Fotos bestehen nicht nur aus Layern (zwei an der Zahl), sie offenbaren sogar eine weitere Technik: Das sogenannte »Framing« (»Frame« = Rahmen). Das Hauptmotiv auf der zweiten Ebene wird gerahmt von der ersten Ebene und damit das Auge des Betrachters auf das Hauptmotiv gelenkt.
Foto 1
Foto 1: Der erste Layer obigen Fotos ist der Beobachter der Szene. In diesem Fall die Trauzeugin. Der zweite Layer ist die Braut, der gerade die Haare gemacht werden. Als ich der Armhaltung der Trauzeugin gewahr wurde, habe ich die Lücke schnell genutzt, um einen Rahmen zu schaffen, und damit den Blick des Betrachters auf die Braut zu lenken. Natürlich hätte es das nicht unbedingt gebraucht, denn auch ohne diesen Rahmen wäre klar gewesen, wer oder was das Motiv ist. Aber es gestaltet das Foto deutlich interessanter.
Foto 2
Foto 2: Bei diesem Foto sehen wir auch wieder zwei Layer. Die Beine im Vordergrund und die Hochzeitsgesellschaft im Hintergrund. Auch hier ist wieder ein Framing zu sehen. Die Beine rahmen die Brautleute und somit wird das Auge des Betrachters geführt. Damit dieses Foto entstehen konnte, brauchte es mehrere Zutaten: Vorahnung, Berechnung, Erfahrung und Glück.
Aus dem Augenwinkel nahm ich jemanden wahr, der sich meiner Position näherte und es den Anschein hatte, als wolle er vorbei. Darin bestand die Vorahnung. Die Berechnung lag darin, dass ich hoffte, er würde nicht nur einfach vorbeigehen, sondern tatsächlich über die Kamera springen. Die Erfahrung sagte mir, dass Laien meist nicht abschätzen können, wann sie auf dem Bild sind und wann nicht. Also senkte ich die Kamera, um ihn zu der Annahme zu verleiten, dass er durch die bodennahe Kameraposition nicht aufs Bild käme. Jetzt musste ich ihn nur noch zwingen vorne zu passieren. Also drückte ich mich an die hinter mir befindliche Mauer, schaltete die Kamera in den Serienbildmodus und drückte ab, als er auf meiner Höhe war. Gleichzeitig gab ich der Gesellschaft das Go zum Steigenlassen der Ballons. Die letzte Zutat, das Glück, bestand nun darin, dass er tatsächlich sprang und alles so aufging, wie ich es mir erhofft hatte.
Das Foto erhält zusätzliche Eleganz übrigens dadurch, dass die Blickrichtung der Brautleute und Gäste, wie auch ihre Körper- und Armhaltung, nahezu parallel zum linken Bein des Hüpfenden verläuft. Ein weiterer glücklicher Umstand.
Foto 3
Foto 3: Hier die Szene, wenige Zehntelsekunden zuvor. Ein gutes Foto, aber bei weitem nicht so interessant.
Foto 4
Foto 4: In diesem Foto wird die Deckenlampe zum Rahmen für die Brautleute. Es entstand in der Villa des Weinguts zu Winningen.
Foto 5
Foto 5: Hier sind es die Blätter, die dem Foto einen Rahmen geben und gleichsam den ersten von zwei Layern bilden.
Foto 6
Foto 6: Ein Beispiel dafür, wie die Brautleute selbst zum Rahmen für die Handlung werden.
Foto 7
Foto 7: Auch dieses Foto besteht aus zwei Ebenen. Ebenen, die auf den ersten Blick Verwirrung stiften. Wenn man sie visuell separiert, dann lacht man hoffentlich.
Linienführung
Eine weitere Technik ist es, das Auge mit vertikalen, horizontalen oder diagonalen Linien zum Motiv zu führen.
Foto 8
Foto 8: Das obenstehende Foto verdeutlicht dies: Die Gäste führen das Auge zu den Brautleuten, die nach vollzogener Trauung vor die Kirchentür treten.
Foto 9
Foto 9: Dies gilt auch für dieses Foto. Hier bilden die Gäste einen Tunnel, der zum Hauptmotiv führt und die Seifenblase vor dem Gesicht der Brautleute setzt einen Schlussakzent.
Foto 10
Foto 10: In diesem Foto sind es die Kirchenbänke, die das Auge zuerst zum Hund und dann zum wartenden Bräutigam lenken. Das Foto entstand in dem Moment, da die Braut vom Brautvater zur Kirchentür hineingeführt wird. Kleine Randnotiz: Der Hund trug einen Schleier und die Ringe am Halsband.
Foto 11
Foto 11: Dieses Foto entstand nach dem Getting Ready der Braut. Hier nutzte ich die Flurwände, um das Auge des Betrachters auf die zur Braut zu lenken.
Unschärfe
Wie eingangs erwähnt, ist Schärfe nicht zwangsläufig das Maß der fotografischen Dinge. In Fotografenkreisen gibt es den Satz: »Schärfe gibt es beim Inder«.
Foto 12
Foto 12: Unschärfe braucht es dann, wenn man Störendes oder Ablenkendes im Hintergrund ausblenden und das Objekt isolieren möchte. Für Porträts ist dies ein häufig verwendetes Stilmittel.
Foto 13
Foto 13: Unschärfe kann auch dazu benutzt werden, auf das eigentliche Objekt aufmerksam zu machen. Wie etwa im nachfolgenden Beispiel zu sehen. Die Brautleute versinken in Unschärfe, der Fokus liegt ganz alleine auf Hand und Ring. Dennoch bekommt man eine Ahnung von dem, was die Brautleute tun. Die Unschärfe fügt dem Foto eine geheimnisvolle Komponente hinzu.
Foto 14
Foto 14: Die Unschärfe im diesem Engagementfoto gibt dem Betrachter das Gefühl, ein heimlicher Beobachter der Szene zu sein – eine Art Paparazzi eben.
Perspektivenwechsel
Für Abwechslung sorgt stetiges Wechseln der Kameraperspektiven. Mal von schräg oben, mal von schräg unten, sogar liegend und mal aus dem Stand. Hier ein extremes Beispiel.
Foto 15
Fazit
Es gibt noch weitere Techniken, wie zum Beispiel das Nutzen von Spiegelungen und Spiegeln, das Spiel mit Licht und Schatten, verschiedene Blitztechniken etc. Aber ich glaube, ich kann es bei den oben genannten Beispielen bewenden lassen. Es sollte hoffentlich klar geworden sein, dass die Hochzeitsfotografie etwas ist, was eben nicht einfach en passant, ohne Wissen, Erfahrung, Gespür und Hirnschmalz ausgeführt werden kann (oder sollte). Gute Hochzeitsfotos sind im besten Falle genau so, wie sie sind, weil sie im Geiste visualisiert und dann ausgeführt wurden – und das oft in Sekundenbruchteilen.
Natürlich geht dabei auch oft etwas schief und oft ist Glück die Hauptzutat. Man sollte nicht dem Glauben anheimfallen, dass jedes, der vom Fotografen selektierten Fotos, potentielle Awardkandidaten sind. Ganz sicher nicht. Schließlich hängt das maßgeblich auch von der Hochzeit ab und welche Rahmenbedingungen vorherrschen. Gäste, die das Gros des Tages damit verbringen, irgendwo herumzusitzen, bieten nun einmal keine Vorlage für aufregende Fotos. Da kann der beste Fotograf nur wenig reißen.
Dennoch gilt in den meisten Fällen, dass selbst diese Fotos weitaus interessanter sind, als die eines Gastes, Freundes, Bekannten oder Verwandten, der sich als Hochzeitsfotograf andient und dabei scharfe und richtig belichtete Fotos hinbekommt.
Jeder darf für sich entscheiden, ob er dieses Statement für arrogant, oder für versuchte Schadensbegrenzung im Sinne der Brautleute hält. Wünschenswert wäre Letzteres.
Aber wie immer: Das ist natürlich eine Frage des Anspruches und meist des Budgets, ob man bereit und in der Lage ist, einen Hochzeitsfotograf zu engagieren. Zumindest ist die Erkenntnis, dass professionelle Hochzeitsfotos in der Regel kein Zufallsprodukt sind, der Entscheidungsfindung dienlich.