Home >> Dokumente >> Hochzeitsfotograf: Buchungszeit splitten. Geht das?
Man kann ja vieles aufteilen. Essen zum Beispiel. Ein Steak, auf zwei Tage verteilt gegessen, macht zwar keinen Unterschied in der Summe der aufgenommenen Kalorien, hat aber den Vorteil, dass man an diesen beiden Tagen weniger Hunger leidet, weil da noch ein Kaloriendefizit ist, das man mit anderem füllen kann. Nicht zu vernachlässigen ist der psychologische Aspekt dieser Taktik: Es fühlt sich einfach besser an, wenn man nur ein halbes Steak gegessen hat und danach noch eine Tüte Chips erledigen kann.
Buchungszeit splitten
Wie aber sieht es mit der Zeit aus, die man den Hochzeitsfotografen bucht? Könnte man hier nicht auch splitten? Man wähle das acht Stunden Paket und verteile die gebuchten Stunden auf die Zeit zwischen 9 Uhr morgens 3 Uhr nachts. Der Hochzeitsfotograf legt dann einfach mehrere Pausen ein – zum Beispiel wenn es (vermeintlich) nicht so interessant ist bzw. Leerlauf entsteht. Dabei spart man doch einiges an Geld und hat dennoch die gewünschten Momente der eigenen Hochzeit im Kasten. Oder?
Die gute Nachricht: Diese Vorgehensweise schlägt mit fantastischen 0 Kalorien zu Buche. Die schlechte Nachricht: Geld spart man dabei nicht, jedenfalls dann nicht, wenn man einen Profi engagiert. In aller Regel dürfte es bei einem solchen nämlich so sein, dass gebuchte Stunden bezahlt werden müssen. Dazu zählen auch Zeiten, von denen ein Brautpaar annimmt, dass es nichts zu fotografieren gäbe.
Ich will euch verraten, warum das so ist. Und hierfür sei eine (hoffentlich) einleuchtende Erklärung angebracht.
Der Deal
Dem Prinzip des Kapitalismus (ein unromantisches Wort, im Zusammenhang mit Hochzeiten. Ich weiß. Sorry!) liegt zu Grunde, dass man seine Lebenszeit verkauft. Für Geld. Kohle. Pinke. Den schnöden Mammon. Und das ist auch richtig so.
Wenn Ihr über die Solidität dieser Aussage nachdenkt, fangt bei Euch an. Es ist, im wahrsten Sinne des Wortes, Zeit Eures Lebens, die auch Ihr Tag für Tag aufwendet und Dritten übereignet. In dem Moment, da Ihr das Haus verlasst, zur Arbeit fahrt, Euren Job erledigt und wieder Zuhause einkehrt. Es ist Lebenszeit, die man als Angestellter einer Firma oder als Selbständiger seinen Kunden widmet – unabhängig davon, ob man seine Arbeit liebt oder nicht. Es ist Zeit, die man NICHT mit seinen Liebsten verbringt.
Die Kompensation
Diese Lebenszeit ist unersetzlich, denn sie kommt nicht wieder, lässt sich nicht nachholen. Nicht die verpassten Stunden mit dem Säugling, der oder dem Liebsten, den Eltern, die ja auch nicht jünger werden. Dafür muss man Kompensation erfahren. Zur Kompensation erhält man Geld. Eine Gegenleistung, die, in Abhängigkeit von der Größenordnung und im besten Falle, dafür Sorge trägt, dass man sein Leben außerhalb der Arbeitszeit möglichst sorglos und angenehm verbringen kann – ob im Wachzustand (8 h) oder schlafend (8 h). Wer mag, kann nun noch durchdenken, inwieweit Papier bzw. Metall eine Kompensation sein kann. Ich spare mir das. Das ist ja schließlich kein Philosophie-Seminar.
Mit anderen Worten, und um auf den Punkt zu kommen: Ist es eingedenk dieser Tatsache verwunderlich, dass ein Hochzeitsfotograf, auf die Frage nach der Splittbarkeit seiner Lebenszeit bzw. der Aufteilbarkeit der Buchungszeit, eher irritiert reagiert? Ich denke nicht. Ich denke auch nicht, dass ich Euch damit etwas Neues erzählt habe. Schließlich würdet Ihr die acht Stunden Lebenszeit, die Ihr per Arbeitsvertrag Eurer Firma zu übereignen habt, auch nicht auf die vierundzwanzig Stunden eines Tages aufteilen wollen – schon gar nicht unbezahlt. Die Zeit, die Ihr anwesend seid, wollt Ihr vergütet wissen.
»Leerlauf« gibt es nicht
Von all dem einmal abgesehen, wird ein aufmerksamer Hochzeitsfotograf, noch dazu einer, der damit wirbt Reportagefotografie zu betreiben, auch in vermeintlichen »Leerzeiten« genügend Motive und Situationen finden, die er fotografieren kann. Er wird sich nicht hinsetzen und ausruhen. Jedenfalls halte ich das so und ich weiß, dass das alle mir bekannten Kollegen ebenso praktizieren.
Anders ausgedrückt: Es gibt keinen Leerlauf. Es sei denn, Ihr erklärt einen oder mehrere Abschnitte Eurer Hochzeit dazu. Das könnte die Zeit sein, da alle essen. Denn kein Hochzeitsfotograf wird Eure Gäste dabei fotografieren. Aber selbst dann ist es Lebenszeit, die Euer Hochzeitsfotograf Euch und Eurer Hochzeit widmet.
Geschenkte Lebenszeit
Bei entsprechender Wertschätzung könnte es sogar sein, dass Euch Euer Hochzeitsfotograf vielleicht sogar ein wenig Zeit seines Lebens schenkt. Kaum ein Kollege wird, wegen einer halben Stunde Verlängerung nach hinten raus, gleich mit einer höheren Rechnung wedeln bzw. sofort das Fotografieren einstellen, sobald die Buchungszeit abgelaufen ist – jedenfalls so lange Ihr seine Lebenszeit als etwas genauso Wertvolles anseht, wie die Eure und das entsprechend honoriert.